Wiesenvogelschutz
Weitere Projekte des Michael-Otto-Instituts im NABU
Der "Feuerwehrtopf" - Gemeinschaftlicher Wiesenvogelschutz
Ein erfolgreicher Ansatz für Landwirtschaft und Naturschutz in Schleswig-Holstein
Das Artenschutzprogramm „Gemeinschaftlicher Wiesenvogelschutz“ (GWS) wurde im Jahr 1999 von Landwirt*innen und Naturschützer*innen in der Eider-Treene-Sorge-Region (ETS) in Schleswig-Holstein initiiert. Im Programm werden Wiesenvögel auf konventionell bewirtschaftetem Grünland geschützt. Der Ansatz ist ergebnisorientiert und die Teilnahme unkompliziert und einfach gestaltet.
Ehren- und hauptamtliche Gebietsbetreuer*innen markieren Wiesenvogelgelege und beobachten Familienverbände bis die Küken flügge sind. Gebietsbetreuer und Landwirte vereinbaren gemeinsam angepasste Schutzmaßnahmen. Zu Beginn der Brutsaison umfasst dies z.B. Einschränkungen beim Güllen, später in der Saison vor allem Verzögerungen bei der Mahd. Auf Weideflächen können sensible Bereiche beispielsweise durch einen mobilen Zaun geschützt werden. Für die Maßnahmen werden entsprechend Ausgleichsgelder durch das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein (MELUND) ausgezahlt.
Sobald die Vögel eine Fläche verlassen haben, kann die Bearbeitung, nach vorheriger Freigabe durch die Gebietsbetreuer*innen, wieder in normaler Weise aufgenommen werden. Alle Vereinbarungen können kurzfristig und flexibel getroffen werden und sind nur für ein Jahr gültig, was die Teilnahme der Landwirt*innen erleichtert. Sämtliche bodenbrütende Wiesenvögel können so geschützt werden, wobei die häufigsten Arten Kiebitz, Uferschnepfe, Brachvogel und Austernfischer sind.
Die enge Zusammenarbeit zwischen Freiwilligen und Landwirt*innen hat über die Jahre ein beidseitiges Vertrauen geschaffen. Das Programm ist heute in der Region weithin bekannt und akzeptiert, sodass zwischen 2007 und 2013 weitere Projektregionen hinzukamen.
Im Jahr 2021 nahmen insgesamt 146 Landwirt*innen am Gemeinschaftlichen Wiesenvogelschutz in Schleswig-Holstein teil. So konnten 1117 Wiesenvogelpaare vor landwirtschaftlich bedingten Verlusten geschützt werden. Vor allem während der Frühjahrsarbeiten fanden Maßnahmen zum Schutz der Vögel statt.
Der Gemeinschaftliche Wiesenvogelschutz wird seit Beginn an durch eine Effizienzkontrolle begleitet. In dem 431 ha großen Kontrollgebiet wiesen die Revierpaarzahlen des Kiebitzes zwar erhebliche Schwankungen auf, blieben jedoch über die Jahre hinweg konstant. Der Brachvogel und die Uferschnepfe weisen leicht steigende Bestände auf. Allerdings war der mittlere Bruterfolg sehr schlecht, er lag beim Kiebitz bei 0,1 und bei der Uferschnepfe bei 0,2 Jungen/Revier.
Auch wenn der Bruterfolg im Jahr 2021 schlecht ausgefallen ist, zeigen die langjährigen Untersuchungen der Effizienzkontrolle, dass das Programm einen Beitrag zu stabilen Wiesenvogelbeständen leisten kann. Der Gemeinschaftliche Wiesenvogelschutz kann somit, bei entsprechender Gebietseignung, als erfolgreicher Ansatz auf lokaler Ebene angesehen werden.
Ihre Ansprechpartnerin: Heike Jeromin
Hier können Sie Berichte zum "Gemeinschaftlichen Wiesenvogelschutz" herunterladen:
Endberichte "Übergeordneter Gemeinschaftlicher Wiesenvogelschutz"
Endberichte "Gemeinschaftlicher Wiesenvogelschutz in der Eider-Treene-Sorge-Niederung"
Untersuchung zur Prädation an Wiesenvogelbruten
Ein Projekt mit vielen neuen Erkenntnissen
Von den Jahren 2009 bis 2013 führte das Michael-Otto-Institut im NABU eine Untersuchung zur Prädation an Wiesenvogelbruten in den Gebieten Meggerkoog und Börmer Koog in der Eider-Treene-Sorge-Niederung (Schleswig-Holstein) durch. Bei den Gebieten handelt es sich um Kernverbreitungsgebiete der Arten Kiebitz, Uferschnepfe und Großer Brachvogel. Dort wie auf dem Großteil der übrigen privaten Grünlandflächen in der Eider-Treene-Sorge-Niederung wird der „Gemeinschaftlicher Wiesenvogelschutz“ umgesetzt (siehe Link zu Feuerwehrtopfbeschreibung).
Die Ergebnisse der Effizienzkontrolle des Programms im Meggerkoog zeigten, dass in einigen Jahren es zu hohen Verlusten durch Beutegreifer kommt. Eine Anpassung der Bewirtschaftung an das Brutgeschäft als alleinige Maßnahme ist dann nicht ausreichend, um den Bruterfolg und damit den Bestand der Wiesenvögel zu sichern. In Jahren mit hohen Prädationsraten steigt der Aufwand der ehrenamtlichen Gebietsbetreuer stark an. Durch die Gelegeverluste siedeln die Vögel immer wieder um, die neuen Brutstandorte müssen gefunden und neue Absprachen getroffen werden. Zudem ist für manche Gebietsbetreuer diese Situation emotional belastend. Die Kosten für Ausgleichszahlungen sind in Jahren mit starker Prädation höher als in Jahren mit geringen Verlusten, da für einige Paare durch Umsiedlungen mehrere Flächen geschützt werden müssen. Es besteht außerdem immer wieder die Unsicherheit, ob die Prädationsrate dauerhaft ansteigt und damit einen bestandserhaltenden Bruterfolg in Zukunft verhindert.
Da am „Gemeinschaftlichen Wiesenvogelschutz“ auch häufig Jäger die Funktion von Gebietsbetreuern übernehmen, kam aus diesen Reihen der Vorschlag, sich näher mit dem Problem auseinander zu setzten. Folgende Fragestellungen standen dabei im Mittelpunkt:
- Ist Prädation ein Problem in den Untersuchungsgebieten (Untersuchung der Kiebitzgelege und Kiebitzküken)?
- Welcher Prädator ist verantwortlich (Einsatz von Nestkameras)?
- Kann die Ausschlussmethode durch das Einzäunen der Brutstandorte mit Geflügelelektrozäunen erfolgreich sein?
- Wurde durch die verstärkte Bejagung mit Betonröhrenfallen der Jagddruck auf die Prädatoren erhöht?
- Haben sich die Lösungsansätze bewährt?
Obwohl durch die Nestkameras der Nachweis gelang, dass der überwiegende Anteil der Wiesenvogelgelege durch Füchse prädiert wurden und der Jagddruck auf Raubsäuger während der Studie durch den Einsatz weiterer zehn Betonröhrenfallen je Untersuchungsgebiet deutlich erhöht wurde, war es nicht möglich, Einfluss auf die Prädationsrate bei Kiebitzgelegen zu nehmen. Da aber in einzelnen Jahren sehr hohe Verluste durch Raubsäuger auftraten, sollte die Bejagung fortgeführt werden.
Der Einsatz des Geflügelelektrozauns zum Schutz von Wiesenvogelnester gegen Bodenbeutegreifer wie Fuchs, Hermelin und Mink war sehr erfolgreich, aber aufwendig. Durch die lockeren Kolonien bei Kiebitzen und Uferschnepfen können lediglich unter fünf Gelege mit dieser Methode je gezäunten Bereich geschützt werden. Um bei diesen Arten für die Population relevante Anteile vor Gelegeverlusten zu bewahren, wäre ein extrem hoher Aufwand notwendig, der kaum zu finanzieren ist. Da aber lediglich 300 Paare des Großen Brachvogels in Schleswig-Holstein brüten, sollten Elektrozäune in Zukunft ausschließlich bei dieser Art eingesetzt werden.
Bei all diesen aufwendigen Maßnahmen sollten die Wiesenvogelarten jedoch auch in ihren natürlichen Strategien zur Feindabwehr unterstützt werden. So können sich in geeigneten Lebensräumen lockere Kolonien ausbilden, die beim Vertreiben von Prädatoren effektiver sind. Insbesondere Kiebitz und Uferschnepfe bevorzugen offene, wenig strukturierte Landschaften, um herannahende Feinde rechtzeitig zu bemerken und zu vertreiben Dies würde auch die Produktion von Nachgelegen fördern. Kiebitze können, wenn über einen ausreichenden Zeitraum geeignete Brut- und Nahrungshabitate zur Verfügung stehen, Verluste bis zu viermal ersetzen. Auf diese natürlichen Strategien der Feindabwehr der Wiesenvögel wirkt sich auch eine hohe Nahrungsverfügbarkeit positiv aus. Eigene Beobachtungen belegen, dass diese Bedingungen großflächig gegeben sein sollten, um den Einfluss der Prädation zu minimieren.
NABU stellt Aktionsplan Feuchtwiesen vor
Sind Kiebitz, Uferschnepfe und Co noch zu retten?
Feuchtwiesen prägten noch vor wenigen Jahrzehnten die norddeutsche Kulturlandschaft. Heute sind sie in ihrer Existenz akut bedroht. Und mit ihnen ihre Bewohner - viele seltene Tier- und Pflanzenarten wie Kiebitze, Uferschnepfen und Brachvögel Kleinseggen drohen aus Deutschland zu verschwinden. Das Michael-Otto-Institut im NABU hat mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) nun die wichtigsten Fakten und Erfahrungen über den Schutz von Feuchtwiesen zusammengestellt. Das Fazit ist: Die Schutzbemühungen waren bisher noch nicht ausreichend, um den dramatischen Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen. Aber es gibt einige vielversprechende Schutzansätze, die weiter verfolgt werden müssen.
Nach wie vor ist die Bestandssituation vieler Brutvogelarten der Feuchtwiesen alarmierend. Kampfläufer und Alpenstrandläufer stehen sogar kurz davor, als Brutvögel in Deutschland zu verschwinden. Die früher häufige Uferschnepfe ist mittlerweile in den Kreis der weltweit gefährdeten Vogelarten aufgenommen worden. Ihr Brutbestand nahm in Deutschland seit 1990 um mehr als die Hälfte ab. Wesentliche Ursache dafür ist die intensive Landwirtschaft. Feuchtwiesen haben für sie kaum noch eine wirtschaftliche Bedeutung. So können Feuchtwiesen vielerorts nur dort erhalten werden, wo sie entweder in Schutzgebieten gepflegt werden, oder Landwirte für naturverträgliche und weniger profitable Wirtschaftweisen einen Ausgleich erhalten.
Mit Unterstützung der DBU konnte das Michael-Otto-Institut im NABU den Aufwand und den Erfolg von insgesamt 90 Schutzprojekten aus dem In- und Ausland recherchieren. Hinzu kamen viele Daten über Bestandsentwicklung und Bruterfolg der Wiesenvögel. Die wichtigsten Ergebnisse sind jetzt in einer Broschüre mit dem Titel "Aktionsplan Feuchtwiesen" zusammengestellt. Die Studie zeigt auf, dass Schutzmaßnahmen bisher auf zu geringer Fläche stattfanden und dass aber auch nicht alle Naturschutzmaßnahmen zum erwünschten Erfolg führten. "Einerseits ist es wichtig, die Lebensbedingungen für Wiesenvögel und Feuchtwiesenpflanzen wieder herzustellen," sagt Hermann Hötker vom Michael-Otto-Institut im NABU "Dass bedeutet vor allem, die Wasserstände zu erhöhen. Andererseits muss eine gute Zusammenarbeit mit den Landwirten erreicht werden, damit die Wiesen langfristig gepflegt werden können".
Durch den internationalen Vergleich wird deutlich, dass es keine Patentrezepte im Feuchtwiesenschutz gibt, sondern dass je nach Beschaffenheit des Gebietes unterschiedliche Aktivitäten sinnvoll sind. Allerdings zeigt die Broschüre einige Handlungsfelder auf, in denen mit vergleichsweise geringem Aufwand große Effekte erzielt werden können. Dazu zählen unter anderem Maßnahmen in Küstennähe und Projekte zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Naturschutz.
"Der verbesserte Bruterfolg der letzten Jahre bei einigen Vogelarten in Schutzgebieten ist ein kleiner Hoffnungsschimmer," so NABU Experte Hermann Hötker. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob damit schon eine Trendwende eingeleitet wurde. Sicher ist, dass dem Schutz der Feuchtwiesen auch weiterhin eine hohe Aufmerksamkeit gelten muss.
Hier können Sie den Aktionsplan Feuchtwiesen sowie die Anlagen hierzu herunterladen:
Vögel der Agrarlandschaft
Bestand, Gefährdung und Schutz
Die NABU-Studie macht drei größere Gefährdungsgruppen für die aktuelle Situation der Feldvögel verantwortlich: So leiden Vögel, die auf Äckern brüten oder dort ihre Nahrung suchen, an den für die Intensivnutzung typischen Kennzeichen wie Pestizideinsatz, fehlende Randstreifen, geringe Kulturvielfalt und überdimensionierte Ackergrößen. Ferner sind Feldvögel auch auf bestimmte Strukturen wie Gehölze oder Streuobstwiesen angewiesen, deren Verschwinden einigen Arten in den letzten Jahrzehnten ebenfalls zugesetzt hat. Und schließlich haben Veränderungen bei der Grünlandwirtschaft - wie etwa Trockenlegungen, intensivere Mähtechniken bis hin zum Verschwinden eines dorfnahen Grünland - im Zusammenspiel mit einem erhöhten Brutverlust durch Beutegreifer zur aktuellen Situation beigetragen.
"Den akut vom Aussterben bedrohten Arten kann zurzeit nur durch ein gezieltes Management in Schutzgebieten oder mit Vertragsnaturschutz geholfen werden", so Hötker. Um den Trend bei den Feldvögelbeständen umzukehren, schlägt der NABU Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen vor. Im Ackerbau müssen demnach Pestizide reduziert, Ackerrandstreifen angelegt, Flächen stillgelegt und verkleinert sowie die Kulturvielfalt erhöht werden. Bestehende Streuobstwiesen, Hecken, Gehölzstreifen, aber auch abwechslungsreiche dörfliche Strukturen müssten erhalten werden. Im Grünlandbereich müssen zukünftig feuchte Niederungen oder Magerrasen geschützt und nestschonende Mähtechniken eingeführt werden. "Eine weitere Ausdehnung des ökologischen Landbaus kann zudem für eine Reihe von Arten wie die Feldlerche positive Entwicklungen einleiten", so Hötker.
Hier können Sie die Studie "Vögel der Agrarlandschaft" herunterladen:
Naturschutz und Landwirtschaft
NABU-Projekt mit Landwirten
Nicht nur Naturschützer sondern auch viele naturverbundene Landwirte bemerken und beklagen den Rückgang von Rebhühnern, Kiebitzen, Feldlerchen und anderen Vögeln der Feldflur. Auch früher häufige Ackerkräuter sind heute fast vollständig aus der Landschaft verschwunden. Einige Landwirte in Schleswig-Holstein und das Michael-Otto-Institut im NABU gingen 2010 neue Wege, um den Artenschwund in Feld und Flur zu stoppen. Mit freiwilligen, gemeinsam entwickelten Maßnahmen sollte die Artenvielfalt im ländlichen Raum gefördert werden. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt und die BINGO-Umweltlotterie unterstützten das Vorhaben.
Hier können Sie den Endbericht zum Projekt herunterladen