Austernfischerforschung


Der Austernfischer zählt zu den typischen Vogelarten an unseren Küsten und kommt auch an einigen Stellen im Binnenland vor. Die Brutpaarzahlen in Deutschland sind in den vergangenen 25 Jahren jedoch deutlich zurückgegangen. Besonders stark war der Rückgang im schleswig-holsteinischen Wattenmeer, wo sich der Bestand in etwa halbiert hat. Dabei brüten in Schleswig-Holstein rund 4% aller weltweit vorkommenden Austernfischer. Für keine andere Brutvogelart trägt Schleswig-Holstein eine derart hohe internationale Schutzverantwortung.
Populationsstudie am Austernfischer
Das Michael-Otto-Institut im NABU führt daher eine Populationsstudie am Austernfischer an der Westküste Schleswig-Holsteins durch. Hierbei werden Überlebensraten und Bruterfolg der Vögel in ausgewählten Gebieten untersucht. Zudem ist bisher wenig darüber bekannt, wo die in Schleswig-Holstein brütenden Austernfischer überwintern. Diese Untersuchungen finden seit dem Jahr 2010 im Meldorfer Speicherkoog sowie auf der angrenzenden Hallig Helmsand statt. Im Jahr 2013 wurden sie auf eine Probefläche auf der Insel Pellworm ausgedehnt. 2015 kamen als weitere Standorte der Beltringharder Koog sowie die benachbarte Hallig Nordstrandischmoor hinzu.
Im Rahmen der Populationsstudie werden Austernfischer mit einem Metallring der Vogelwarte Helgoland sowie einer individuellen Kombination von Farbringen markiert. Anhand der Farbringe können die Vögel später mit dem Fernglas oder Spektiv erkannt werden. Ablesungen von in Schleswig-Holstein oder den Niederlanden farbberingten Austernfischern können über die Internetseite CR Birding Submit (cr-birding.org) gemeldet werden. Die Beringung in Schleswig-Holstein erfolgt in enger Kooperation mit den verschiedenen niederländischen Partnern (Niederländisches Institut für Ökologie, Sovon Vogelonderzoek Nederland, Stichting Onderzoek Scholekster (SOS), Universität Groningen und Wageningen Marine Research).
Dauertelemetrie von Austernfischerküken

Empfangsstation zur Dauertelemetrie im Arlau-Speicherbecken (Beltringharder Koog) - Foto: Volker Salewski
In den Jahren 2022 bis 2024 wurde das dreijährige Pilotprojekt „Dauertelemetrie von Austernfischerküken“ in Kooperation mit der Nationalparkverwaltung Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und der Firma tRackIT-Systems, Cölbe, durchgeführt. Mit dem Projekt haben wir das Raumnutzungsmuster und die Gefährdungsursachen der Küken untersucht, um daraus Schutzempfehlungen abzuleiten. Dafür wurden den Austernfischerküken 1,3 Gramm leichte Radiosender mit einem Spezialkleber auf dem Rücken befestigt. Über zunächst fünf und ab 2023 zehn Empfangsstationen im Arlau-Speicherbecken des Beltringharder Koogs konnte der Standort der Küken im Abstand von wenigen Sekunden per Kreuzpeilung automatisiert erfasst werden. Dadurch wurde ermittelt, wo sich die Küken bevorzugt aufhielten, wann und unter welchen Umständen es zu Verlusten kam und wann sie flügge wurden.
In den Jahren 2025 bis 2028 wird das Projekt fortgesetzt.
„Zaunprojekt“

Östliches Ende des festen Prädatorenschutzzauns im Beltringharder Koog. Der Zaun wurde ein Stück in die Salzwasserlagune hinein gebaut, um ein Umlaufen durch die Bodenprädatoren auszuschließen. - Foto: Dominic Cimiotti
Ebenfalls im Beltringharder Koog wurde in den Jahren 2022 bis 2024 eine Erfolgskontrolle zu einem festen Prädatoren-Schutzzaun durchgeführt, der Bodenprädatoren wie Füchsen, Marderhunden und Dachsen den Zugang zu einer wichtigen Brutfläche von Wiesen- und Küstenvögeln im Koog erschweren soll. Am Beispiel von Austernfischer und Sandregenpfeifer wurden die Wirksamkeit des Zauns im Hinblick auf den Schlupf- und Bruterfolg evaluiert und Optimierungsvorschläge abgeleitet mit dem Ziel, diese Vorschläge auch auf andere Gebiete zu übertragen. Darüber hinaus waren die Ergebnisse auch für die Evaluation des Prädationsmanagements im Beltringharder Koog insgesamt relevant. Denn in diesem Zeitraum wurde ein Modellprojekt zum Prädationsmanagement mit jagdlichen Methoden (Berufsjäger) im gesamten Beltringharder Koog durchgeführt.
Die Schlussfolgerungen aus dem „Zaunprojekt“ waren:
1. Insgesamt hohe Schlupf- und Bruterfolge der Austernfischer im gesamten Beltringharder Koog zeigen eine hohe Wirksamkeit des intensiven Prädationsmanagements in dem Schutzgebiet, das als „Gesamtpaket“ Habitatmanagement, feste und mobile Zäune sowie jagdliche Methoden umfasst.
2. Verschiedene Bodenbrüterarten, hier Sandregenpfeifer und Austernfischer, sollten aufgrund festgestellter Unterschiede in den Prädationsmustern der Gelege sowohl hinsichtlich Gefährdungs- und Verlustursachen als auch möglicher Managementmaßnahmen differenziert betrachtet werden.
3. Die Entwicklung bei der Wanderratte, die erstmals im Jahr 2023 verstärkt als Nesträuber im Beltringharder Koog auftrat, sollte – ebenso wie diejenige anderer kleinerer Säuger und Möwen – im Blick behalten werden. Der Sandregenpfeifer eignet sich besonders gut als „Frühwarnsystem“.
4. Da es bei den Schlupfwahrscheinlichkeiten und Bruterfolgen beider Arten keine konsistenten Unterschiede zwischen dem Zaungebiet und Vergleichsflächen gab, ist von einem fehlenden zusätzlichen Effekt der Zaun-Maßnahme zu dem des jagdlichen Prädationsmanagements auszugehen. Allerdings wird im Bericht diskutiert, inwiefern die Zaunmaßnahme Randeffekte einer angrenzenden Sukzessionszone ohne jedes Prädationsmanagement abgepuffert haben könnte.
Berichte zur Populationsstudie:
Berichte zum Zaunprojekt:
Berichte zur Dauertelemetrie:
Die Untersuchungen im Rahmen der Populationsstudie in den Jahren 2015 und 2016 wurden durch die Ernst-Commentz-Stiftung finanziell gefördert. Seit dem Jahr 2017 werden die Arbeiten durch das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein (MEKUN) gefördert.
Das Projekt „Wirksamkeit eines festen Prädatorenschutzzauns im Beltringharder Koog“ wird ebenfalls durch das MEKUN gefördert.
Das Projekt „Dauertelemetrie Austernfischerküken“ wird von der Nationalparkverwaltung im Rahmen der Biodiversitätsstrategie des Landes finanziert.