Projektvorstellung
Wie hoch sind die Verluste von Greifvögeln in der Nähe von Windkraftanlagen?
I. Problemstellung und Ziel des Projektes
Gegenstand des Vorhabens war es, die Ursachen für die Kollision von Greifvögeln mit Windenergieanlagen zu untersuchen und Methoden zu entwickeln und zu erproben, die Verluste von Greifvögeln an Windkraftanlagen deutlich verringern. Die Ergebnisse wurden in einer Handlungsanweisung für die Planung von Windkraftanlagen in Brutgebieten empfindlicher Greifvogelarten dargelegt.
Das Projekt fand vor dem Hintergrund statt, dass der weitere Ausbau regenerativer Energiegewinnung erklärtes Ziel der Regierung der Bundesrepublik Deutschland ist. Dieses Ziel steht im Zusammenhang mit dem Bemühen, den Ausstoß klimaschädlicher Gase zu vermindern. Deutschland nimmt hinsichtlich der Nutzung der Windkraft eine Spitzenstellung ein, gefolgt von den USA. Der weitere Ausbau der Windenergienutzung an Land wird in Deutschland weiterhin maßgeblich innerhalb bestehender Windkrafteignungsgebiete erfolgen, auch wenn regional, wie für Brandenburg erwartet, durchaus neue Erschließungen von Bedeutung sein können. Eine Erhöhung der installierten Leistung wird in erster Linie über die Errichtung größerer Anlagen und höhere Nabenhöhen angestrebt.
Vor allem in den USA, aber auch in Europa, wurden bereits in der Frühphase der Windkraftnutzung Befürchtungen laut, die Windkraftanlagen (WKA) könnten sich schädlich auf die Tierwelt, insbesondere die Vögel auswirken. In den USA wurden diese Befürchtungen vor allem durch die Erfahrungen aus dem ersten großen Windpark am Altamont Pass in Kalifornien genährt, in dessen früher ca. 5.000 WKA seit seiner Einrichtung jährlich Hunderte von Greifvögeln zu Tode gekommen sind. Davon betroffen sind auch geschützte Arten wie Steinadler. Die bisherigen Erfahrungen in Deutschland bestätigen eine hohe Empfindlichkeit von Greifvögeln gegenüber Windkraftanlagen. In der bundesdeutschen Fundkartei sind derzeit (Stand 15.12.2008) 730 Kollisionsopfer an Windkraftanlagen registriert, wovon überproportional viele, nämlich 298 (41%), auf Greifvögel entfallen. Betroffen sind besonders der Rotmilan mit 101 Funden, eine in Europa endemische Vogelart, von der Deutschland annähernd die Hälfte des Brutbestandes beherbergt, und der Seeadler mit 36 Funden. Beide Arten sind im Anhang I der EG-Vogelschutzrichtlinie geführt.
Über die Umstände, unter denen Kollisionen erfolgen, ist wenig bekannt, so dass sich zurzeit wenige Möglichkeiten zur Verminderung des Risikos durch bauliche Maßnahmen oder eine geeignete Standortwahl ergeben.
Die potentielle Gefährdung von Greifvögeln und anderen Großvögeln ist ein wesentlicher Streitpunkt bei der Auswahl neuer Standorte von Windkraftanlagen. So fordert beispielsweise der Niedersächsische Landkreistag, bei der Ausweisung von Windparks Abstände von zum Teil mehreren Kilometern zu den Neststandorten verschiedener Greifvogelarten einzuhalten. Als relevant wird neben den genannten Arten Seeadler und Rotmilan insbesondere die Wiesenweihe eingestuft, für die Abstände bis 12,5 km gefordert werden. Bei konsequenter Umsetzung solcher Regelungen würde sich die für die Nutzung der Windkraft im Binnenland zur Verfügung stehende Fläche drastisch reduzieren.
In verschiedenen Gerichtsurteilen in Bayern wurden Genehmigungen zur Errichtung von Windkraftanlagen versagt, weil sie zu dicht an Brutplätzen der Wiesenweihe lagen (Verwaltungsgericht Würzburg, W 5 K 04.291; Verwaltungsgericht Ansbach AN 18 K 03.02016, Anlagen 1 u. 2). In der Hellwegbörde in Nordrhein-Westfalen spielen Wiesenweihen eine bedeutende Rolle in den Konflikten zwischen Windkraft und Naturschutz im Rahmen der Ausweisung von EU-Vogelschutzgebieten.
In dem hier beschriebenen Vorhaben wurden die Ursachen für das hohe Gefährdungsrisiko von Greifvögeln untersucht und damit wichtige Grundlagen für eine naturverträgliche Planung von Windkraftanlagen erarbeitet. Ziel des Projekts war es, konkrete Vorschläge zu erstellen, wie durch Veränderungen des Umfelds der Anlagen, durch Markierung der Anlagen bzw. durch Wahl der Anlagenstandorte Kollisionsrisiken verringert werden können.
Es wurde das Gefährdungsrisiko von Greifvögeln durch Verhaltensuntersuchungen im Bereich bestehender Windparks ermittelt. Es wurden Jagdverhalten, Flughöhe und Ausweichbewegungen von drei relevanten Arten untersucht, wobei auch telemetrische Methoden eingesetzt wurden. Ein wichtiger Aspekt war dabei die Frage, ob durch größere Anlagen und zunehmende Nabenhöhe eine Veränderung des Gefährdungsrisikos erfolgt. Die Untersuchung wurde an den drei Arten Rotmilan, Seeadler und Wiesenweihe durchgeführt. Die Arten wurden ausgewählt, weil Rotmilan und Seeadler im Vergleich zur Höhe ihrer Bestände zu den häufigen Kollisionsopfern gezählt werden. Die Wiesenweihe wurde als weitere relevante und europaweit hoch gefährdete Art für die Untersuchung ausgewählt, weil sie oftmals als sehr empfindlich gegenüber Windkraftanlagen eingestuft wird und zugleich das Brut- und Nahrungshabitat der Wiesenweihe - großräumige und offene Agrarlandschaften - für die Windkraftnutzung besonders geeignet sind. In einigen Bereichen, wie dem Nordwesten Schleswig-Holsteins und der Hellwegbörde in Nordrhein-Westfalen, befinden sich in den Hauptverbreitungsgebieten der Wiesenweihe auch zahlreiche Windparks.
Ziel des Vorhabens war es, die Ursachen für die im Vergleich zu anderen Arten hohen Kollisionsraten von Greifvögeln zu untersuchen und weitere Konflikte zwischen Greifvögeln und dem Ausbau der Windenergienutzung zu analysieren, ihre Bedeutung für den Erhalt der gefährdeten Arten zu bewerten und Lösungen für Konfliktminderungen und vermeidungen zu entwickeln.
II. Stand der Wissenschaft und Technik; bisherige Arbeiten
Obwohl über Greifvogelkollisionen an Windkraftanlagen seit längerem berichtet wird, ist der Grund für die häufigen Kollisionen dieser tagaktiven und sehr geschickten Flieger weitgehend unbekannt. Es wird vermutet, dass Greifvögel eine geringe Scheu vor festen Bauwerken wie Windkraftanlagen zeigen und sich somit häufiger als andere Arten im Gefährdungsbereich der Anlagen aufhalten. Es ist anzunehmen, dass die Kollisionen mit Windkraftanlagen nicht durch eingeschränkte Wahrnehmung der Anlagen entstehen, wie sie für nachtziehende Vögel vermutet werden könnte, sondern durch spezifische Verhaltensweisen dieser Arten verursacht werden. Das Verständnis dieser Verhaltensweisen ist daher von hoher Bedeutung für die Entwicklung von Vermeidungsmaßnahmen.
Allerdings zeigen sinnesphysiologische Untersuchungen, dass sich schnell bewegende einfarbige Rotoren im Nahbereich möglicherweise von Greifvögeln nicht als Gefahr angesehen werden. Experimentelle Felduntersuchungen der Wirksamkeit von Flügelmarkierungen liegen jedoch noch nicht vor.
Über die Ursachen der Kollisionen von Greifvögeln und anderen Konflikten mit Windenergieanlagen liegen aus Deutschland keine Untersuchungen vor. Verschiedene Studien in ande-ren europäischen Ländern und den USA haben sich vornehmlich mit der Erfassung von Kollisionsraten und der Identifizierung problematischer Anlagenstandorte befasst (Übersicht in Hötker et al. 2004). In den USA wurde kürzlich eine sehr umfangreiche Studie über die Vermeidung von Kollisionen in dem bekannten Altamont-Windpark veröffentlicht (Smallwood & Thelander 2004), die jedoch sehr auf die dortigen Arten und Verhältnisse zugeschnitten ist. Einige der darin vorgeschlagen Ansätze können jedoch hinsichtlich der Übertragbarkeit auf hiesige Verhältnisse geprüft werden. Für die Erfassung des Kollisionsrisikos liegen vornehmlich aus Schottland eine Reihe von Arbeiten vor, die für die Erarbeitung der methodischen Grundlagen für dieses Projekt von Bedeutung waren. Bezüglich der Durchführung von Minderungsmaßnahmen werden derzeit in Norwegen erste Arbeiten über die Vermeidung von Kollisionen von Seeadlern durchgeführt. Mit den an diesen Vorhaben beteiligten Wissenschaftlern soll ein enger Austausch hergestellt werden.
III. Beschreibung des Arbeitsplans
Aufbau des Projekts, Kooperationspartner
Das Projekt wird in den fünf Bundesländern Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen in Zusammenarbeit von sechs Institutionen durchgeführt, die über langjährige Erfahrung in der Greifvogelforschung sowie mit ökologischen Auswirkungen von Windkraftanlagen verfügen. Die Institutionen haben insgesamt drei aufeinander abgestimmte Anträge an das BMU gestellt und untereinander einen Kooperationsvertrag und Werkverträge geschlossen. Die Projektstruktur verdeutlicht die nachstehende Skizze.
Die Projektleitung liegt beim Michael-Otto-Institut im NABU, PD Dr. Hermann Hötker, in Bergenhusen. Das Michael-Otto-Institut in Bergenhusen ist seit über zehn Jahren im Bereich der ornithologischen Forschung aktiv und hat u. a. 2004 im Auftrag des BfN ein Gutachten zur Wirkung von Windenergieanlagen auf Vögel erstellt . Weiteres unter www.bergenhusen.NABU.de.
BioConsult SH ist ein Team von Biologen und Landschaftsökologen, das in den vergangenen Jahren zahlreiche öffentliche und privatwirtschaftliche Untersuchungen über die ökologi-schen Auswirkungen von Windenergieanlagen erstellt hat. Mitarbeiter von BioConsult SH haben zum Teil langjährige Untersuchungen an Greifvögeln durchgeführt. Thomas Grünkorn ist Mitglied der Projektgruppe Seeadlerschutz in Schleswig-Holstein und beringt seit vielen Jahren die nestjungen Adler. BioConsult SH wird innerhalb des Projektes mit Untersuchungen an Seeadlern und Wiesenweihen betraut werden. Weitere Informationen zum Profil der Firma und der Qualifikation der Mitarbeiter finden sich im Anhang und unter www.bioconsult-sh.de.
Im Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) arbeitet Dr. Oliver Krone insbesondere über die Mortalitätsursachen von Seeadlern und hat bereits umfangreiche Erfahrungen mit dem Fang und der Telemetrie von Seeadlern gesammelt. Dr. Krone wird innerhalb des Teilprojektes Seeadler für Fang und Telemetrie der Vögel sowie für die Beobachtung besenderter Vögel zuständig sein. Weitere Informationen zum Profil und Qualifikation der Arbeitsgruppe Parasitologie/Ornithologie finden sich unter www.izw-berlin.de (Forschung, FG3, Mitarbeiter).
Die ÖKOTOP GbR beschäftigt sich seit dem Jahr 2002 intensiv mit Auswirkungen von WEA auf die Vogelwelt, insbesondere auf Greifvögel. Im privaten und öffentlichen Auftrag wurden zahlreiche Gutachten und Stellungnahmen erarbeitet. Im Rahmen einer von Ubbo Mammen betreuten Diplomarbeit an der Universität Trier wurden in der Querfurter Platte im Jahr 2005 drei Rotmilane mit Miniatur-Peilsendern ausgestattet sowie Planbeobachtungen zum Verhalten von Greifvögeln im Windpark durchgeführt. Informationen zum Profil der Firma und der Qualifikation der Mitarbeiter finden sich im Anhang und unter www.oekotop-halle.de.
Gleichzeitig ist Ubbo Mammen der Projektkoordinator des Forschungsprojektes "Monitoring Greifvögel und Eulen Europas", welches seit 1988 Daten zum Bestand und zur Reproduktion aller europäischer Greifvogel- und Eulendaten von inzwischen über 500 Kontrollflächen zusammenträgt und auswertet. Träger des Projektes ist der "Förderverein für Ökologie und Monitoring von Greifvogel- und Eulenarten e.V.". Weitere Informationen zu diesem Projekt unter www.greifvogelmonitoring.de.
Die Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz, gleichzeitig Biologische Station Soest (www.abu-naturschutz.de), beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Schutz von Wiesenweihen in der Hellwegbörde, einem Gebiet, in dem es zahlreiche Konflikte zwischen den Interessen der Windkraftbetreiber und dem Naturschutz gibt. Seit 2005 ist die ABU zusätzlich mit der Umsetzung der "Vereinbarung zum Schutz der Wiesenweihe und anderer Offenlandarten in der Hellwegbörde" beauftragt. In diesen Projekten sind Hubertus Illner für den Weihenschutz und Dr. Ralf Joest für die Umsetzung der Hellwegbördevereinbarung verantwortlich.
Das Projekt wird weiterhin im Rahmen einer Kooperation mit der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesumweltamt Brandenburg, von Dr. Torsten Langgemach und Tobias Dürr, unterstützt. An der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg wird im Rahmen der Arbeitsteilung innerhalb der Länderarbeitsgemeinschaft der deutschen Vogelschutzwarten die bundesweite Kollisionsdatei von Vögeln und Fledermäusen geführt.
Methoden
Es ist vorgesehen, das Verhalten von Greifvögeln im Bereich bestehender Windparks zu untersuchen und das Gefährdungsrisiko zu ermitteln. Dies geschieht, indem Flugwege und Flughöhen, sowie Reaktionen und Verhalten von Greifvögeln innerhalb von Windparks verfolgt und aufgezeichnet werden. Eine lediglich auf Todfunden basierende Untersuchung würde in einer überschaubaren Projektlaufzeit keine brauchbaren Ergebnisse liefern können, so dass eine Risikoabschätzung durch Verhaltensbeobachtungen als angebracht und zielführend erschien. Die Untersuchungen erfolgen dabei durch direkte Beobachtungen, die durch den Einsatz telemetrischer Methoden unterstützt werden. Mit der Telemetrie können mehr und qualitativ höherwertige Daten in kürzerer Zeit gewonnen werden, als durch reine Beobachtungen. Der Einsatz der Telemetrie erlaubt es, Greifvögel über einen größeren Bereich individuell zu verfolgen und die Nutzung oder Meidung von Windparks innerhalb ihrer Streifgebiete zu ermitteln. Letztendlich dient der Einsatz der Telemetrie auch der Kostenersparnis.
Die jeweiligen Teilprojekte werden über einen Zeitraum von zwei Jahren durchgeführt werden. Es ist eine normierte räumlich-zeitliche Registrierung des Jagdverhaltens - insbesondere zur Brutzeit - vorgesehen, die mit weitgehend gleichen Beobachtungsprotokollen durchge-führt wird, so dass eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse gewährleistet werden kann. Zu Beginn des Vorhabens wurde für die drei Arten ein normiertes Erfassungsprogramm für Direktbeobachtungen und die Telemetriestudien erarbeitet, das eine einheitliche und vergleichbare Auswertung und Bewertung der erhobenen Daten unter Berücksichtigung artspezifischer Verhaltensweisen ermöglichen soll.
Die Untersuchungen werden jeweils in Kernverbreitungsgebieten der Arten in Deutschland durchgeführt werden (Seeadler: Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern; Rotmilan: Sachsen-Anhalt; Wiesenweihe: nordwestliches Schleswig-Holstein, Hellwegbörde, Nord-Rhein-Westfalen).
Zusätzlich werden die bestehenden Datensätze ausgewertet, und es erfolgt eine Recherche der genauen Kollisionsumstände von Rotmilan- und Seeadlerfunden.
Damit die im internationalen Raum vorhandene Erfahrung in das Projekt und in die Handlungsanweisungen einfließen kann, wurde im Herbst 2008 ein Workshop durchgeführt, zu dem u.a. Experten aus Großbritannien, Norwegen, Nordamerika und Deutschland eingeladen wurden.
Teilprojekt Seeadler
Die nachgewiesenen Fälle von in Windkraftanlagen zu Tode gekommenen Seeadlern nehmen in Deutschland zu. So wurden bisher (Stand 2008) 36 Fälle von Seeadlern bekannt, die von Rotorflügeln an WEA erschlagen wurden. Die meisten Funde (50 %) stammen aus dem Frühjahr, drei weitere aus dem Januar. Ein klarer Bezug der Kollisionen zu jahreszeitlichen Bedingungen ist jedoch nicht abgesichert, so dass die Untersuchungen nicht auf das Frühjahr begrenzt werden.
Ziel der Untersuchungen ist es, zu ermitteln, welche Windkraftanlagen in der Umgebung von Seeadlerhorsten besondere Risiken für die Adler bergen, und welche Anlagen weniger problematisch sind. Solche Angaben können für eine zielgerichtete räumliche Planung von Windkraftanlagen in der Umgebung von Horststandorten verwendet werden.
Es werden Sichtbeobachtungen an je zwei Seeadlerbrutpaaren aus Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern, die durch die boden- und satellitentelemetrische Methoden un-terstützt werden sollen, durchgeführt. Die Beobachtungen erfassen vor allem die Flugwege von den Adlern und die Einbeziehung der Windparks in ihren Aktionsraum. Die Verhaltensbeobachtungen werden von BioConsult SH durchgeführt. Weiterhin werden die verfügbaren Informationen über Aktivitätsrhythmus und -radius von Seeadlerbrutpaaren insbesondere von den Bewachern der Seeadlerhorste zusammengetragen und ausgewertet.
Die Größe des Seeadlers ermöglicht es, zur Ermittlung räumlicher und zeitlicher Aktivitätsmuster räumlich hoch auflösende GPS-Sender bzw. GPS-Datenlogger einzusetzen, mit de-nen die Flugbewegungen über einen längeren Zeitraum aufgezeichnet werden können. Die gespeicherten Koordinaten können über GSM (Mobilfunk) übertragen oder über ein UHF-Signal heruntergeladen werden. Die Sender und Datenlogger übertragen gleichzeitig Signale im VHF Bereich, so dass sie mit einer Antenne und einem tragbaren Empfänger angepeilt und verfolgt werden können. Dies ermöglicht die individuelle Erkennung und Verfolgung der Aktivitäten von einzelnen Adlern. Um die Auswirkungen von WEA auf lokale Brutpaare und deren Bruterfolg zu ermitteln, sollen Jungvögel und wenn möglich Altvögel mit GPS-Sendern ausgestattet werden. Der Fang von Brutvögeln ist aufwendig und soll an zwei Brutplätzen pro Jahr durchgeführt werden. Die Ausrüstung von noch nicht flugfähigen Jungvögeln im Nest ist dagegen vergleichsweise einfach. Die telemetrischen Untersuchungen der Seeadler liegen in der Verantwortung von Dr. Krone, IZW. Die Beobachtungen der besenderten Seeadler werden von Mitarbeitern des IZW und von BioConsult SH durchgeführt. Für die Freilanduntersuchungen werden zeitweise zwei Personen eingesetzt, die während der Beobachtungen über Sprechfunk in Verbindung stehen und die mobilen Vögel über größere Distanzen verfolgen können.
Die Untersuchungen in dem Teilprojekt Seeadler sollen in engem Austausch mit norwegischen Untersuchungen erfolgen. Auf der norwegischen Insel Smöla laufen derzeit Untersuchungen und Experimente zur Reduzierung der Kollisionen von Seeadlern. Neben einem Austausch mit den norwegischen Experten im Rahmen des geplanten Workshops ist vorge-sehen, die norwegischen Experten auf Smöla aufzusuchen, um die dortigen Erfahrungen berücksichtigen zu können.
Teilprojekt Rotmilan
Die Studien verfolgen zwei Ziele. Erstens soll geklärt werden, ob Rotmilane zur Brutzeit Meidungsverhalten zu Windparks zeigen, oder ob sie vielleicht aufgrund spezieller Strukturen in den Windparks (attraktive Nahrungsflächen durch Brachen an den Mastfüßen) diese sogar gezielt aufsuchen. Der Fokus bisheriger Untersuchungen lag vor allem auf Beobachtungen von ziehenden Rotmilanen. Zum Verhalten von Brutvögeln gibt es bisher lediglich Vermutungen oder Einzelbeobachtungen.
Zweitens sollen Methoden zur Vergrämung von Rotmilanen an Windkraftanlagen überprüft werden. Dazu sollen an einigen Anlagen die Bereiche um den Mastfuß mit Folien oder Schotter abgedeckt werden, damit dort keine Nager leben können, die Rotmilane anlocken und in gefährliche Nähe der Rotoren bringen können. Neben den manipulierten Anlagen verbleiben einige unveränderte Kontrollanlagen.
Zwei methodische Ansätze der Datenerhebung kommen zur Anwendung: Zum einen werden in den experimentell veränderten Windparks standardisierte Planbeobachtungen durchgeführt, wobei der Schwerpunkt der Beobachtungen auf dem Rotmilan liegt. Andere Greifvogelarten - insbesondere Mäusebussard und Schwarzmilan - werden ebenfalls berücksichtigt. Ziel ist es, das Verhalten der Tiere (Flughöhe, Entfernung zu WKA, Interaktionen usw.) zu dokumentieren, um daraus Schlussfolgerungen zu den relativ hohen Opferzahlen ziehen zu können und die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Kollisionsverminderung zu überprüfen. Zum anderen werden pro Jahr zwischen zwei und fünf Tiere mit Miniatur-Peilsendern ausgestattet werden, um ihr Raumnutzungsverhalten insbesondere im Verhältnis zu Windparks bzw. Windkraftanlagen aufzuzeigen. Auch hier stehen Vergleiche zwischen manipulierten und nicht manipulierten Anlagen im Vordergrund. Es werden Tiere untersucht, die in enger Nachbarschaft zu Windkraftanlagen brüten.
Brutvögel des Rotmilans werden in Sachsen-Anhalt untersucht, da die Art hier die höchste Siedlungsdichte in Deutschland erreicht, gleichzeitig eine hohe Anzahl von WKA errichtet wurde und an einigen Stellen bereits durch das Vorhandensein von Ausgleichsmaßnahmen "Ablenkfütterungen" etabliert wurden. Ein Untersuchungsgebiet ist die Querfurter Platte (Landkreis Merseburg-Querfurt), wo bereits seit 2003 Siedlungsdichteuntersuchungen an Greifvögeln durchgeführt worden sind. Im Jahr 2005 wurden drei Rotmilane und ein Mäusebussard an den dort befindlichen 30 WEA als Kollisionsopfer nachgewiesen. Ein weiterer Untersuchungsraum ist das Nordharzvorland, in dem die weltweit höchste Dichte des Rotmilans zu verzeichnen ist. In dieser Region wurden inzwischen verschiedene Windparks mit verschiedensten Anlagentypen realisiert, darunter auch eine der neun deutschlandweit bisher errichteten Anlagen des Typs E-112, der mit 6 MW bisher leistungsstärksten Binnenland-Windenergieanlage.
Die Untersuchungen am Rotmilan werden in enger Kooperation von ÖKOTOP GbR und Michael-Otto-Institut im NABU durchgeführt. Die ÖKOTOP GbR wird durch einen Werkvertrag eingebunden, der folgende Leistungen umfasst: Großräumige Kartierung der Untersuchungsgebiete einschließlich des Umfeldes auf Greifvogelreviere und -horste, dabei insbesondere Lokalisierung der Rotmilan-Horste; Bruterfolgskontrolle, Fang, Besenderung und Markierung der Rotmilane mit Flügelmarken; Teilleistung Telemetrie; Auswertung aller für den Rotmilan gewonnenen Telemetriedaten, lokale Koordination in den Untersuchungsgebieten.
Teilprojekt Wiesenweihe
Die Untersuchungen an Brutpaaren der Wiesenweihe im westlichen Schleswig-Holstein komplettieren den umfassenden Untersuchungsansatz, indem der Lebensraum des Offenlandes ebenfalls berücksichtigt werden soll. Die norddeutsche Tiefebene beherbergt in den Marschen Nordfrieslands einen Brutbestand der Wiesenweihe von etwa 50 Paaren, in deren Lebensraum sich zahlreiche WKA befinden. Die Bestände in der Hellwegbörde in Nordrhein-Westfalen sind etwas niedriger. Diese Gebiete sind daher prädestiniert, das Konfliktpotential mit Windenergieanlagen zu untersuchen. Für die Wiesenweihe sind zwei Fragestellungen bei den Untersuchungen vorgesehen: 1. Eine mögliche Störwirkung von Windparks und dadurch eine mögliche Verdrängung von Brutpaaren. 2. Das Kollisionsrisiko von Wiesenweihen an Windenergieanlagen.
Die mögliche Störwirkung von Windenergieanlagen steht insbesondere in Nordrhein-Westfalen im Vordergrund der Diskussion. Diese Fragestellung wird für die Hellwegbörde und das nördliche Nordfriesland durch Auswertung längerer Datenreihen über die Entwicklung der Brutbestände der Wiesenweihe im Vergleich zum Ausbau der Windenergienutzung in den betreffenden Gebieten bearbeitet. Aus beiden Gebieten liegen langfristige und exakte Datenreihen vor, die eine entsprechende GIS-basierte Analyse ermöglichen. Die Auswertung der Daten für die Hellwegbörde werden von der ABU-Soest durchgeführt werden, die auch die Brutplätze dieser Art seit 1993 kartiert hat. Für das nördliche Nordfriesland liegen zugängliche Daten über das Artenschutzprogramm für diese Art vor, die vom Michael-Otto-Institut im NABU ausgewertet werden.
Das Kollisionsrisiko ist für Wiesenweihen aufgrund der großen Überschneidung der Brutgebiete mit der Windenergienutzung von hoher Bedeutung. Zur Untersuchung dieser Fragestellung werden die Flugbewegungen dieser Art im Bereich existierender Windparks untersucht. Die Abschätzung des Kollisionsrisikos erfolgt anhand standardisierter Beobachtungen über das Verhalten im Bereich der Windparks, bei denen u.a. Flugrichtung, Flughöhe, Reaktionen auf die Anlagen, Entfernung zu den Anlagen und Aufenthaltsdauer in den Windparks erfasst werden. Für die Auswertung wird Bezug genommen auf bestehende Kollisionsmodelle, die an der nah verwandten Kornweihe entwickelt worden sind. Mit Hilfe der Telemetrie werden die Vögel auf ihren weiträumigen Jagdflügen lokalisiert und beobachtet. Aufgrund der weitgehenden Baumfreiheit der Gebiete und sehr guter Übersichtlichkeit können einzelne Jagdflüge durch zwei Personen, die mit Funkgeräten in Kontakt stehen, verfolgt werden. Dies ist auch zur Bestimmung der Flughöhe und der Ermittlung direkter Reaktionen auf Windkraftanlagen notwendig. Zusätzlich ist eine Erfassung des Brutbestandes in den Untersuchungsräumen wichtig, um das Ausmaß der Überschneidung von Jagdgebieten der Wiesenweihe mit Flächen der Windenergienutzung und die Nähe der Brutplätze zu bestehenden Windenergieanlagen zu erkennen. Das Verbreitungsmuster der Wiesenweihenbrutplätze könnte bereits auf eine eventuelle Meidung von Windparks hinweisen. Direktbeobachtungen und telemetrische Untersuchungen werden vorrangig im nördlichen Nordfriesland durchgeführt.
Teilprojekt Todfundanalyse
Die Staatliche Vogelschutzwarte im Landesumweltamt Brandenburg führt ein Register der Todfunde von Vögeln an WKA. Im Rahmen des Teilprojektes werden die Funde der näher untersuchten Greifvogelarten und zusätzlich weitere Großvogelarten (Reiher, Störche, Kranich, weitere Greifvögel) aufgearbeitet. Dazu zählt insbesondere eine Recherche der Fund-umstände (Lebensraum, Standortbedingungen, WKA-Typ, Tageszeit, Alter des Vogels usw) und eine Analyse der Daten. Zusätzlich wird an ausgewählten Orten über eine Verschneidung der Funddaten mit lokalen Bestandsdichten Aussagen über die lokale Bedeutung der durch WKA verursachten Mortalität getroffen.
Im Rahmen des Teilprojektes "Todfundanalyse" sind Aussagen zu Auswirkungen von WKA-Typen auf die Mortalität von Greifvögeln zu treffen. Die zentral beim Landesumweltamt Brandenburg (Staatliche Vogelschutzwarte) geführte Fundkartei umfasste allerdings bisher noch keine Daten von WKA mit Gittermastbauweise und nur eine geringe Stichprobe von Kontrollen an WKA von mehr als 140 m Gesamthöhe. Damit wären die Aussagen aus der Gesamtkartei nur sehr begrenzt auf WKA der 2,5 bis 3-MW-Klasse übertragbar. Im Fall der Gittermastanlagen wäre dies gar nicht möglich. Um für solche, gegenwärtig überwiegend bereits verwendete WKA eine Abschätzung des Gefährdungspotenzials für Greifvögel zu ermöglichen, sollen 2008 gezielte Untersuchungen zur Erfassung der Mortalität in zwei Windparks (je 10 WKA) durchgeführt werden.
Teilprojekt Greifvogelprobeflächen
Seit 1988 werden auf über 500 meist größeren Probeflächen jährlich im Rahmen des Forschungsprojektes "Monitoring Greifvögel und Eulen Europas" Daten zu Bestand und zur Reproduktion von Greifvögeln erhoben (siehe oben). Im Rahmen des hier beschriebenen Vorhabens wird recherchiert, wo in diesen Gebieten während der Laufzeit des Projekts Windkraftanlagen errichtet worden sind und wie diese die Verteilung, die Bestandsgröße und ggf. den Reproduktionserfolg von Greifvögeln beeinflusst haben.
Internationaler Workshop zu Methoden der Minderung des Kollisionsrisikos von Greifvögeln an Windkraftanlagen
Der Workshop diente dazu, die Erfahrungen aus anderen Untersuchungen zu Greifvögeln und Windkraftanlagen für das Projekt nutzbar zu machen und die ersten Projektergebnisse vorzustellen. Dazu wurden Wissenschaftler/innen aus Großbritannien, Norwegen, Nordamerika und Deutschland eingeladen. In diesen Ländern treten als bedeutend eingestufte Kollisionen von Greifvögeln auf, zum Teil von den gleichen Arten wie in Deutschland, und es liegen Erfahrungen mit Vermeidungsmaßnahmen vor. In Norwegen laufen derzeit intensive Untersuchungen über zunehmende Kollisionen von Seeadlern, so dass ein Austausch hier von hoher Bedeutung ist. Der Workshop wurde im Herbst 2008 in Berlin durchgeführt.